Prof. Steinkraus
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Prof. Dr. Volker Steinkraus

Dagmar Burkhart
Unimannheim

Prof. Dr. Dagmar Burkhart

 

Unsere Website zum Thema Haut und Hautgedächtnis informiert Sie über interdisziplinäre Projekte, die wir aus dermatologischer und kulturologischer Sicht realisieren. Bei unserer Kooperation setzen wir auf den Synergie-Effekt unserer unterschiedlichen Disziplinen.

Das jüngste Produkt unserer Zusammenarbeit ist der Band "Hautgedächtnis". Das Buch richtet sich an einen breiteren Leserkreis, der an einer fachübergreifenden Fragestellung interessiert ist.

Weitere Angaben über unsere fachspezifischen Arbeiten finden Sie unter:

Wissenschaftliche Publikationen Steinkraus


Website Burkhart

 

Dagmar Burkhart HAUTGEDÄCHTNIS

Mit einem Vorwort von Volker Steinkraus

Titelbogen

 

Infotext zur Buchpublikation

Die menschliche Haut erweist sich einerseits als biologisches Phänomen, andererseits als ein soziales, politisches und ästhetisches Konstrukt. Als biologisches Phänomen folgt sie den phylogenetischen und ontogenetischen Gesetzen eines Körperorgans mit den entsprechenden Funktionen (Sensorik etc). Als kulturelles Konstrukt folgt sie den Gesetzen der Repräsentation und der Memoria, das heißt der Vergegenwärtigung von Vorstellungen und Ideen. So stellt die Haut als Natur- und gleichzeitig Kulturerscheinung in toto eine philosophische Herausforderung dar, ein ontologisches Problem. Narben, Male und Falten sind sinnfälliger Ausdruck der conditio humana, aber auch des individuellen und des kollektivenkulturellen Gedächtnisses.
Die Haut ist eine Bühne, auf der Oberfläche und Tiefe als Antagonisten agieren. Sie trägt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig in sich und weist gerade in ihren Einschreibungen über den Moment hinaus. Das „Gesicht einer jungen Frau“, schrieb Balzac, „hat die Ruhe, die Glätte, die unberührte Frische eines Wasserspiegels“. Der wahre Gesichtsausdruck indes „beginnt erst mit dreißig Jahren. Bis zu diesem Lebensalter findet der Maler in diesen Gesichtern nichts als Rosa und Weiß“, samt einem Lächeln und Ausdrucksäußerungen, die allein „den Gedanken von Jugend und Liebe“ wiedergeben, einen „gleichförmigen, tiefelosen Gedanken“. Erst später „ist alles bei der Frau Sprache geworden, haben sich die Leidenschaften in ihr Gesicht eingegerbt“.
Die Haut lebt demnach von Lebensspuren, von ungewollten und gewollten Einschreibungen, die ihr Gedächtnis konstituieren und sie erst interessant machen. Wer keine Narben hat, hat nicht gelebt. Wen keine Falten zieren, wirkt glatt, und von der Glätte zur Verlogenheit ist oft nur ein kurzer Weg.
Heinrich Heine hat im Prolog seiner Harzreise einen romantischen Abgesang auf alles Glatte formuliert: „Lebet wohl, ihr glatten Säle/Glatte Herren! Glatte Frauen!/Auf die Berge will ich steigen,/Lachend auf euch niederschauen“. Der französische Philosoph Gilles Deleuze veröffentlichte 1988 ein Buch mit dem vielsagenden Titel Le pli (Die Falte), in dem er – von Leibniz und dem Barock ausgehend – der glatten Linie in Denksystemen und Kulturmodellen eine Absage erteilt: „Das Vielfältige ist nicht nur dasjenige, was viele Teile hat, sondern was auf viele Weisen gefaltet ist“. Denn „wir brauchen eine ‚Kryptographie‘, die in den Faltungen der Materie sieht und in den Falten der Seele liest“.

Warum also ein Buch über das Gedächtnis der Haut?
Weil die Haut wie kein anderes Organ den ganzen Körper repräsentiert; weil sie in Gestalt von Speichermedien wie Narben, Falten, Muttermalen und anderen Hautzeichen über ein Gedächtnis verfügt, das die von der Existenzphilosophie umkreiste „Zeitlichkeit“, die Endlichkeit der menschlichen Existenz, sinnlich manifestiert; weil sie mehrdeutig ist, das heißt, dass sie an einer Vielzahl von Diskursen teilhat: dem medizinischen, dem psychologischen, dem soziologischen, dem mythologischen, dem ästhetischen und dem ethnologischen. Und weil Hauteinschreibungen Gegenstand von Erzählgeschichten sind, an denen sich eine ganze Anthropologie ablesen lässt: die Verletzlichkeit des Körpers, aber auch seine Fähigkeit zur Selbstheilung, die aus ehemaligen Wunden Narben entstehen lässt.

Audio

Buchbesprechung im Deutschlandfunk

DLF Text

"Mit HAUTGEDÄCHTNIS ist es Dagmar Burkhart gelungen, das mit 1,6 Quadratmeter größte Organ des Menschen aus seinem biologischen Kontext herauszulösen und in den Rang eines vielschichtigen Phänomens zu erheben."

Buchbesprechung in IASLonline

"Sehr lesenswert und hilfreich, nicht nur für die Strukturierung des Materials, sondern auch für eine kulturgeschichtliche, sozialanthropologische Weiterung des Horizonts und Arbeitsfeldes sind die für das Buch entwickelten und von der Autorin dann für die Ausführung auch genutzten ordnungs- bzw. systembezogenen Differenzierungs- und Denkmodelle, unter denen das Phänomen der menschlichen Haut angegangen werden kann."

Buchbesprechung im Ärzteblatt

"Als Arzt glaubt man, bei dem Thema Haut mitreden zu können. Um dann verblüfft festzustellen, dass hier auch Geisteswissenschaftler etwas dazu zu sagen haben. Dagmar Burkhart begreift die Haut als Speichermedium eines lebendigen Sensoriums, letztlich des ganzen Menschen."

Buchbesprechung in der Zeitschrift Wiener Slawistischer Almanach

"Burkhart greift bei ihrer Betrachtung der Haut als soziales, politisches und ästhetisches Konstrukt auf ausgewählte Kategorien zurück, die Zusammenhänge erhellen und der Darstellung Kohärenz verleihen. Dazu gehören auch die Binarismen schön/hässlich und Jugend/Alter sowie die Kategorie Gender. Letztere erweisen sich als besonders aufschlussreich für zwei Hautdiskurse der Gegenwart, nämlich die Schönheitschirurgie und Anti-Aging-Industrie mit ihrem Ideal einer makellosen Haut.“

Buchbesprechung in der Zeitschrift für Slawistik

"Die Vielfalt und Fülle der herangezogenen Quellen, die gewagte Verknüpfung zwischen dem Bekannten bzw. Massenkulturellen und dem Fachspezifischen und nicht zuletzt das mitunter schockierende visuelle Begleitmaterial machen aus dem Buch eine spannende, erkenntnisreiche und zugleich unterhaltsame Lektüre."

Buchbesprechung bei www.literaturkritik.de

"Mit profundem Wissen sowohl in mythologischen wie mediävistischen, in germanistischen wie slawistischen Gefilden schafft es Burkhart, die breite Verwendung diverser Hautbilder in Literatur, Märchen, Mythos und Ritus nicht nur für den europäischen Kulturkreis zu belegen, sondern auch für Literaturen und Kulturen der Antike und des Orients."

Georg Olms Verlag